HOCH HINAUS!
Müsste die November-Ausgabe der Parlamentssitzung mit einem Kurztitel versehen werden, so wären es wohl diese beiden Worte, die den Debatten-Inhalt am treffendsten umschreiben.
Effretikon baut an seiner neuen «Skyline» weiter – das Parlament fügte dem Konglomerat an Planungs- und Baufeldern im Effretiker Zentrum mit seinem Zustimmungsbeschluss vom vergangenen Donnerstagabend ein weiteres Mosaiksteinchen hinzu. Wobei «Steinchen» eine leicht untertriebene Wortwahl darstellt. Mit einem weiteren Gestaltungsplan gesellt sich nun das zweite Hochhaus – zunächst zumindest noch auf planerischer Ebene – dem künftigen Ensemble hinzu, mit satten 55 Metern. Ort des Geschehens: Baufeld E. Dort, wo in der heutigen Betonwüsten-Landschaft aus den 1960er/1970er-Jahren noch der Posten der Stadtpolizei und der ehemalige ewp-Sitz untergebracht sind bzw. waren. Auf 6'600 m2 sollen nebst dem «Wolkenkratzer» auch Wohnungen und Gewerbefläche entstehen. Und dies in unmittelbarer Nachbarschaft zu einem weiteren (Leucht)-«Turm» für Illnau-Effretikon: Dem Hochhaus «Roots». Dieses wird unmittelbar zum neu geplanten Bushof anschliessen. Die Planungsgrundlage dazu hat das Parlament bereits zu früherer Zeit mit seiner wohlwollenden Beurteilung gelegt. Stehen davon tut noch nichts – aber bald werden die Ausmasse der Planungsbeschlüsse sichtbar werden: In Kürze soll das gelbe ehemalige «Jelmoli»-Gebäude abgetragen werden. Ja, es wird wahrlich kein Stein auf dem anderen bleiben. «Das ist auch bitter nötig», meinte dazu Katharina Morf, FDP. Sie dankte den Investoren für deren Willen, im Effretiker Zentrum für frischen Wind zu sorgen.
«DER RETRO-TOUCH BLEIBT»
Ganz so einfach, machte das Parlament dann die Sache doch nicht: Schon im Vorfeld der Parlamentsdiskussion, nach dem Projektwettbewerb und während der Phase der öffentlichen Auflage, sorgte die Gestaltung des hohen Bauköpers für Kritik. Zudem wurden Stimmen einer Interessensgruppierung aus der Nachbarschaft laut, die den Schattenwurf und eine Abwertung ihrer Liegenschaften fürchten.
«Vielen Dank den Entwickelnden, dass sie sich den kritischen Stimmen gestellt und das Gespräch geführt und ihr Projekt zumindest etwas überarbeitet haben. Gestalterisch bleibt der Touch des Retro-Designs haften. Dieser Look schlägt immer noch durch», meinte etwas Beat Bornhauser, GLP, oder Arie Bruinink, Grüne, der Visualisierungen von seiner Meinung nach zukunftsweisenden Gestaltungen andernorts zeigte. «Attraktiv ist das nicht», meinte auch Annina Annaheim, SP. Der Ratslinken stoss zudem sauer auf, dass die Stadt nicht die aktuellste Norm zu den Energiestandards einforderte.
«Der vorgesehene Standard erfüllt die hohen Erwartungen, auf welche die Stadt als Energiestadt Gold sehr Wert legt. Sie ist verlässliche Partnerin und ändert die Regeln nicht während dem Spiel. Der neuste Standard wurde in diesem Februar publiziert. Da war die Planung des Projektes bereits weit fortgeschritten», führte dazu Rosmarie Quadranti, Stadträtin Ressort Hochbau, aus. Sie dankte den Planurhebenden für deren Bereitschaft, sich der komplexen Aufgabe angenommen zu haben. «In einem solchen Projekt bestehen eine ganze Reihe an Ansprüchen: Der Anspruch an die besonders gute Gestaltung, der Anspruch der Anwohnerinnen und Anwohner, der Öffentlichkeit, des Parlamentes, und der Stadt. Technische Rahmenbedingungen wie die hohe Dichte oder die komplexe verkehrstechnische Erschliessung tragen noch das Ihrige dazu bei».
PARLAMENTARISCHER GESTALTUNGSWILLE
«Des Parlamentes Aufgabe ist es, zu beurteilen, ob der Gestaltungsplan grundlegende Auflagen erfüllt. Und nicht, aktiv am Projekt und an Details mitzugestalten», betonte Kilian Meier, Mitte, und bremste damit wohl den Gestaltungswillen einzelner Parlamentarierinnen und Parlamentarier. Unter anderem jenen von Markus Annaheim, SP. «Ich spüre, dass das Projekt hüben wie drüben keine Begeisterung auszulösen vermag. Kann es das sein? Schade. Es wäre eine Chance gewesen, mit unseren Mitteln, politisch auf die Gestaltung einzuwirken.»
Das Parlament gab dann doch noch grünes Licht – mit 21 zu 9 Stimmen.
DIE HOCHAUS-DEBATTE NO. 2
Passend zum Thema überwies das Stadtparlament dem Stadtrat im Anschluss ein Postulat von Arie Bruinink, Grüne. Es lädt den Stadtrat ein, zu prüfen, welche Standorte im Stadtgebiet sich für die Realisierung von nachhaltigen Hochhäusern mit einer Höhe von über 55 Metern eignen. Im Fokus steht die Planung von ökologisch, ökonomisch und sozial-verträglichen «Hochbauten», die in möglichst zukunftsgerichteten Bauweisen (z.B. in Holz-Hybrid-Formen) erstellt werden sollen. Stadtpräsident Marco Nuzzi, FDP, erinnerte an die jüngste Diskussion anlässlich der Totalrevision der kommunalen Richtplanung. «Die Ortsplanungskommission hatte diese Thematik breit debattiert. Eine solche Planung fordert Verbindlich- und Rechtsbeständigkeit. Es ist zu früh, diesen Faden bereits wieder aufzugreifen».
Anders sah dies das Parlament. «Wir müssen innovativ und visionär denken. Ein solcher Prozess dauert ewig. Und es handelt sich ja nicht bereits um eine Umsetzung, sondern bloss um eine Prüfung», meinte etwa Simone Schädler, EVP.
Parlamentarisches Verdikt: 19 gegenüber 12 Parlamentierenden überbinden dem Stadtrat nun den Auftrag, die Sachlage in einem Bericht zu beleuchten. Dem Stadtrat bleibt dafür ein Jahr Zeit.
DER TAUSCHHANDEL ZU EFFRETIKON
Das Parlament befasste sich vor der «Hochhaus-Diskussion» mit einem Tauschhandel von Immobilien. Im Fokus stand der Verkauf einer sich im städtischen Besitz befindenden Liegenschaft an der Hinterbüelstrasse 1 und 3 in Effretikon – «diese Ecke» ist nötig, um eben, die zuvor genannte Überbauung auf dem Baufeld E zu realisieren. Das Parlament stimmte diesem Vorhaben einstimmig zu.
Optionaler Bestandteil des «Deals» war auch die mögliche Übernahme einer Liegenschaft, die dem Entwickler aktuell gehört. Die Stadt könnte sie allenfalls zur Bereitstellung von günstigem Wohnraum gut in ihrem Portfolio gebrauchen. «Dieses Geschäft bietet finanzielle Flexibilität und trägt zur Lösung einer Herausforderung bei, die der Staat tragen muss», meint etwa Beatrice Ehmann, GLP. Das sahen aber längst nicht alle so. Bei wohnbaupolitischen Fragen klaffen die Gräben im Parlament weit auseinander, was kürzlich auch eine Debatte zur Volksinitiative zum weiteren Fortgang mit städtischem Land am Standort des alten Werkhofs zeigte.
«Wenn ich es richtig verstanden haben, geht es darum, diese Wohnungen Flüchtlingen zur Verfügung zu stellen. Ich sehe nicht ein, weshalb die Migrationsbevölkerung in Wohnungen mit einem solchen gehobenen Standard leben soll», gab sich Simone Schädler, EVP, konsterniert. «Ich beobachte die Situation in Deutschland, wo sich die Stimmung anhand solcher Beispiele zunehmen erhitzt. Solche Entwicklungen führen dort zu gesellschaftlichen Verwerfungen. Auch wir sollten solche Zeichen erkennen und daraus unsere Schlüsse ziehen».
«Landhandel ist keine staatliche Aufgabe, der freie Markt soll das regeln», meinte etwa Stefan Fässler, FDP, zum nach seiner Meinung strategisch ohnehin schlecht liegenden Mehrfamilienwohnhaus mit sechs Wohnungen und zehn Parkplätzen an der Eschikerstrasse 35. «Bei der aktuellen finanziellen Lage ist ein solcher Kauf deplatziert».
Es nützte nichts. Aufgrund einer hohen Zahl an Abwesenheiten auf bürgerlicher Seite stimmte das Parlament diesem «Deal» mit 17 gegenüber 14 Stimmen zu.
ZUDEM...
… wurde die Antwort des Stadtrates zu einem Postulat, das Standorte für ein mögliches Lehrschwimmbecken hätte eruieren sollen, diskutiert. Der Stadtrat zeigte in seinem Bericht Möglichkeiten und die Folgekosten am Standort des Sportzentrums Effretikon auf. Vier unterschiedliche Varianten im Umfang von Investitionen von 12 bis 32 Millionen Franken werden aber auch in den nächsten zehn bis 15 Jahren nicht Eingang in die städtische Finanzplanung finden. Auch wenn der Stadtrat mit diesem unpopulären Entscheid dem Lehrplan zu den Schwimmfähigkeiten der Schülerinnen und Schüler nur ungenügend nachkommen kann.
Das Postulat wurde erledigt, wenn auch verschiedenen parlamentarischen Vertreterinnen nun eine konkrete Aussage fehlt, was der Stadtrat jetzt zu unternehmen gedenke.
… genehmigte das Stadtparlament die Abrechnung zum Projektierungskredit zum Ersatzneubau des Kindergarten Rosswinkels, einem an sich gelungenen Bauwerk. Kommissionsreferent Arie Bruinink, Grüne, rückte dabei in aller Schärfe die Unzulänglichkeiten der Arbeit von Stadtrat und Stadtverwaltung ins Zentrum seines Votums.
… genehmigte das Stadtparlament die Abrechnung zu den optional umgesetzten Sanierungsbestandteilen bei der Schulanlage Watt, Effretikon.
Der detaillierte Wortlaut der Anträge und Beschlüsse ist bei der Stadtverwaltung, Abteilung Präsidiales, 4. OG, Stadthaus, Märtplatz 29, Effretikon oder online unter www.ilef.ch/geschaefte einsehbar.
Die Beschlüsse unter Ziffer A.1 und A.2 unterstehen dem fakultativen Referendum.
Gegen die Beschlüsse unter Ziffer A.3 bis A.6 ist das Referendum ausgeschlossen.
Das Begehren um Anordnung einer Urnenabstimmung über die Beschlüsse kann gestützt auf § 157 Abs. 3 lit. a des Gesetzes über die politischen Rechte (GPR) i.V.m. Art. 15 Ziff. 2 Gemeindeordnung von 300 Stimmberechtigten innert 60 Tagen gerechnet ab dem Tag nach der Veröffentlichung oder gestützt auf § 157 Abs. 3 lit. b GPR von einem Drittel der Mitglieder des Stadtparlamentes innert 14 Tagen gerechnet ab dem Tag nach der Beschlussfassung schriftlich beim Stadtrat eingereicht werden.