Auf dem Weg zur «postfossile City»
Was, wenn Einwohnerinnen und Einwohner, aus der Bevölkerung, Investoren, Vertreterinnen und Vertreter von Politik, Industrie, Planer, Energieversorgern und Nischen-Player sich an einen Tisch setzen würden und sich über das «Netto-Null» Ziel zur klimaneutralen Schweiz unterhielten? Was, wenn unterschiedliche Interessen aufeinander prallen? Welche Massnahmen erweisen sich als wirksam und was verpufft im Hall schieren (Un-)Endlichkeit? Und wie gelingt es, gemeinsam tragfähige, wirksame und auch umsetzbare Lösungen zu finden?
PARTIZIPATIV VERANSCHAULICHTER ANSATZ
Was dabei geschieht oder im Grossen noch geschehen könnte, liess sich im Kleinen am vergangenen Samstag im Effretiker MS Zentrum beobachten. Dorthin lud die Stadt und die Organisation von «postfossilCities» Interessierte ein, um in einer Simulation, in Spielform, den CO2-Absenkpfad zu beeinflussen.
«Ich freue mich über das Interesse zu unserer aller Zukunft; denn wir, die wir alle hier sind, aber auch alle, die nach uns folgen, haben es in der Hand und werden Entscheidung schätzen oder spüren, die wir im Heute treffen oder eben verpassen», begrüsste Stadträtin Rosmarie Quadranti, Ressort Hochbau, die Anwesenden. «Unser Ansatz dabei ist es, nicht mit Verboten und Belehrungen aufzutrumpfen. Uns geht es vielmehr darum, wie wir Motivation, Partizipation und Verständnis schaffen können, um diese gemeinsame Herausforderung meistern zu können», ergänzte Alex Herzog, Leiter Energie.
HÜTCHEN WECHSLE DICH.
Die rund 28 Teilnehmenden setzten sich aus interessierten Einwohnerinnen und Einwohnern, aus Personen aus dem Stadtparlament und Stadtrat sowie aus Politik und Interessensgruppierung für Nachhaltigkeit und Energie aus dem echten Leben zusammen.
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmern nahmen dabei eine für sie teilweise fiktive Rolle als Bevölkerung, Investoren, Industrie, Politik, Energiesektor, Planer und Nischen-Akteur ein – sie setzten sich also sozusagen sprichwörtlich einen anderen Hut als in der Realität – oder eben im echten Leben - auf. Anhand der Cap-Farbe konnten sich die Interessengruppierungen besser voneinander unterscheiden bzw. liessen sie sich bei den nachfolgenden Verhandlungen leichter identifizieren.
DER MARKT DER MASSNAHMEN.
Diese Abstraktion und die einfache Identifikation war auch nötig; denn was folgte, war nahezu mit einem interaktiven Marktplatz zu vergleichen: Entlang von rund 200 in der Schweiz diskutablen Massnahmen verhandelten Politikerinnen und Politiker, Investierende, Industrielle, Planende und Innovationsfördernde unter Einsatz fiktiver finanzieller Mittel (mit Blick auf das Kohlenstoffbudget) jene jeweiligen Schritte, die Richtung Energieeffizienz zu unternehmen sind. Manchmal konnten Allianzen geschlossen oder Kompromisse gefunden werden, andere Interessensgruppierungen setzten sich alleine oder eben gar nicht durch.
BIS DIE ANZEIGE VON ROT AUF GRÜN WECHSELT.
Die im Rahmen mehrerer Verhandlungsrunden bis ins Jahr 2050 gefassten Entscheide flossen direkt in ein Computermodell ein. Die Konsequenzen der getroffenen oder eben nicht umgesetzten Massnahmen, liessen sich 1:1 grafisch an einem Dashboard ablesen – mit Zeitstrahl bis ins Jahr 2100. Auswirkungen auf den Absenkpfad, dessen zeitliche Komponente, und Veränderungen in den verschiedenen Dimensionen liessen sich an Aussteuerungsanzeigen prägnant erkennen. Das Modell basiert auf wissenschaftlichen Untersuchungen der EMPA und auch auf einen Anteil von Aspekten, zu denen Annahmen getroffen werden mussten.
Dabei zeigte sich schnell: Wenn eine Gruppierung ohne die andere agiert, lassen sich keine wirklich durchschlägigen Erfolge erzielen. Der Prozess zeigte sich aber auch innerhalb der einzelnen Gruppen interessant: Fühlten sich alle gehört? Wie wurde Kritik und Skepsis begegnet? Wie verlief der Entscheidungsprozess? Die anschliessende Reflexion bot Gelegenheit, sich über Gruppendynamiken und Entscheidungswege auszutauschen, aber auch um Erkenntnisse für die Realität zu gewinnen und zu skizzieren.
EIN SPIEL MIT WIRKUNG.
Die Stadt Illnau-Effretikon hatte die Gelegenheit, eine der Pilotgemeinden zu sein, die im Rahmen dieser Veranstaltung bei der Weiterentwicklung des Spiels «postfossilCities» mitwirken durfte. Die ursprüngliche Idee zu diesem Spiel entsprang ab 2018 eines Forschungsprojektes im Rahmen des schweizerischen Nationalforschungsfonds.
Ziel ist es, die komplexe Transformation zur Klimaneutralität greifbar und verständlich zu machen, ohne belehrend zu wirken. Zu den Erfolgskriterien zählt sicherlich, dass «Ausprobieren und Scheitern» erlaubt sind, aber auch Kompetenzen wie Zuhören, Argumentieren und Verhandeln ebenso gefragte und zentrale Elemente sind.
Wie der Stadtrat Illnau-Effretikon dem Klimawandel begegnen will, hat er in seiner Klimaschutzstrategie bereits im Januar 2050 aufzeigt.
Mehr Informationen dazu finden Sie hier.