URS GUT, GRÜNE, IST DER 52. PARLAMENTSPRÄSIDENT
«Gewählt im 1. Wahlgang mit 31 Stimmen ist Urs Gut», verkündete der scheidende Parlamentspräsident Simon Binder, SVP, den im Saal versammelten und gespannt seiner Stimme lauschenden Parlamentarierinnen und Parlamentariern. Diese hatten soeben ihren Vorsitzenden für das nächste und letzte Amtsjahr der ablaufenden Legislatur gewählt. Stabsübergabe!
Der 57-jährige Urs Gut ist nun also für ein Jahr «höchster Illnau-Effretiker». Er ist der 52. Einwohner, dem diese Aufgabe zuteilwird. Nun steht bzw. sitzt er an der Spitze des Parlamentes - auf dem sogenannten «Bock». Das rührt nicht etwa vom Sprichwort «den Gärtner zum Bock machen», sondern viel mehr daher, da die Sitzungsleitung im Sitzungssaal gegenüber dem Parlament auf etwas erhöhter Position sitzt.
«Ich habe Respekt vor dieser Aufgabe», richtete sich Urs Gut nach seiner glücklichen Wahl durch seine Kolleginnen und Kollegen an das Parlament. «Die Wahl zum Präsidenten des Stadtparlamentes ehrt mich sehr, auch wenn sie erst im Spätherbst meiner politischen Karriere erfolgt. Ich bedanke mich herzlich für das mir entgegengebrachte Vertrauen. Ich nehme die Verantwortung, während eines Jahres die parlamentarische Debatte zu leiten und so zum Funktionieren der demokratischen Institution unserer kommunalen Legislative beizutragen, gerne an», gab Urs Gut zu Protokoll. «Ich spüre, dass mich dieser Moment rührt – und ich bin auch etwas nervös», gestand Urs Gut ein.
DAS STADTPARLAMENT – HERZSTÜCK DER LOKALEN DEMOKRATIE
«Für viele ist Effretikon einfach eine Autobahnausfahrt, bekannt aus den Staumeldungen im Radio, ein Ort, irgendwo im Nirgendwo, auf der Zugdurchfahrt zwischen Winterthur und Zürich. Für mich und Sie ist es mein, unser Zuhause! Ich und Sie wollen dasselbe - wenn auch vielleicht mit unterschiedlichen Ansichtsweisen: Wir wollen unseren Einwohnerinnen und Einwohner ein lebenswertes Daheim bieten, mit allen Annehmlich- aber auch Widrigkeiten. Wir sind dafür da, uns diesen Herausforderungen zu stellen und Probleme zu lösen».
Politik beginne nicht erst im Parlament, sondern im Alltag, in der Nachbarschaft, in den Vereinen, zu Hause und draussen. Jede und jeder könne etwas bewirken. Gut motivierte, von den einzigartigen demokratischen Rechten Gebrauch zu machen.
Das Stadtparlament sei das Herzstück der lokalen Demokratie. Ein Ort, wo wichtige Weichen für die Stadt Illnau-Effretikon gestellt würden. «Am 8. März 2026 haben Sie es in der Hand – und Sie sitzen am Schalthebel: Informieren Sie sich, diskutieren Sie und bilden Sie sich eine Meinung – und gehen Sie wählen oder kandidieren Sie selbst für ein Amt.», richtete sich Urs Gut an die versammelten Zuseherinnen und Zuseher vor Ort und zu Hause oder unterwegs im Livestream.
«Die Stärke des Parlamentes liegt in seiner Vielfalt. Wir repräsentieren hier die Bandbreite unserer Stadtbevölkerung». Urs Gut gab seiner Überzeugung Ausdruck, wonach tragfähige Lösungen dort entstünden, wo unterschiedliche Stimmen gehört und echte Kompromisse gesucht würden. «Das unterscheidet uns von politischen Systemen, die auf Konfrontation basieren und auf Polarisierung setzen. Kompromisse sind für mich keine Zeichen von Schwäche, sondern Ausdruck einer funktionierenden, verantwortungsvollen Gesellschaft.»
BRÜCKEN BAUEN
«In meinem Präsidialjahr möchte ich Brücken bauen – zwischen den Fraktionen, aber auch zwischen Parlament und Bevölkerung», blickte Urs Gut voraus. Sein zentrales Anliegen sei es, die Debatten umsichtig, fair und überparteilich zu leiten. «Dabei stehen für mich der gegenseitige Respekt und der konstruktive Dialog im Mittelpunkt – zum Wohle von Illnau-Effretikon, unserem gemeinsamen Zuhause.»
Die Stadt lebe auch vom Engagement vieler Menschen, die oft im Hintergrund wirken – in Vereinen, sozialen Projekten, der Nachbarschaftshilfe oder der Kultur. «Diese freiwillige Arbeit ist ein unsichtbares Fundament unseres Zusammenlebens. Sie verdient nicht nur Anerkennung, sondern auch politische Rahmenbedingungen, die sie ermöglichen, stärken und wertschätzen», würdigte Urs Gut freiwilliges Wirken.
Mehr zur Person von Urs Gut und seinen Gedanken zu seinem Präsidialjahr erfahren Sie in seinem Grusswort.
PARLAMENTARISCHES SESSELRÜCKEN
Wenn also Wahlzettel und die Wahlurne durch die Parlamentsreihen gereicht werden, verleiht die Szenerie dem Ganzen einen Abglanz von Bundesbern; etwa so, wie wenn dort jeweils die Mitglieder des Bundesrates gewählt werden. Nun, das dann aber doch nicht ganz.
Blenden wir zurück ins beschauliche Illnau-Effretikon, wo Simone Schädler, die Wahl zur 1. Vizepräsidentin für sich entschied. Sie rückte mit 21 Stimmen vom zweiten ins erste Vizepräsidium. Der Zusammenschluss der Fraktionspräsidien (Interfraktionelle Konferenz), der die Wahlvorschläge jeweils erarbeitet, war sich über die Besetzung der Ämter im Vorfeld einig. Und auch 30 von 34 stimmberechtigten Parlamentarierinnen und Parlamentariern (weitere zwei Mitglieder waren abwesend) zeigten sich bei der Besetzung des 2. Vizepräsidiums nicht wankelmütig: Ralf Antweiler, GLP, soll es richten.
Weiterhin Teil der Geschäftsleitung sind Vedat Tüzer, SP, und Lukas Morf, JLIE, als Stimmenzählende. Neu dazu gesellt sich Luc Jacquat, SVP.
DIE SACHE MIT DEM VERTRAUEN
«Verzeihen Sie mir, aber die Verhandlungstaktik des Stadtrates scheint mir geradezu etwas peinlich», taxierte Kilian Meier, Mitte, einen Antrag des Stadtrates. Doch wie kam’s?
Eines vorweg: An diesem Geschäft statuierte das Parlament seine Debattierfreude.
Wenn bei der Beratung eines Geschäftes gar ein Unterbruch zur Rückberatung unter den Fraktionen beantragt wird, weiss ein jeder: Das dürfte länger dauern. Und so kam es auch: Inklusive Kommissionssprechende und stadträtliche Verteidigungsrede provozierte das Geschäft 17 Wortmeldungen und verbuchte dabei eine Beratungszeit von rund einer Stunde. Und da will einer sagen, das Parlament winke bisweilen Geschäfte sang- und klanglos durch? Mitnichten. Da änderte auch der in den Saal eindringende Duft der draussen beim Präsidialapéro auf dem Grill schmorenden Würste nichts.
Stein des Anstosses: Die Stadt verfügt in der Industriezone im Gebiet Riet/Langhag über Landbesitz, den sie nun gerne veräussern möchte, um dort ein produzierendes Unternehmen mit möglichst vielen Arbeitsplätzen anzusiedeln. «Ein Kronjuwel», meinte Dominik Mühlebach, SP.
Der Stadtrat beantragte beim Parlament einerseits, das Land zu einem Mindestveräusserungspreis zu verkaufen. Er erhoffte sich überdies Goodwill seitens des Parlamentes, wenn es im Rahmen der Verkaufsverhandlungen zu notwendigen Preisabschlägen kommen sollte. Dafür hätte das Parlament dem Stadtrat bestimmte finanzielle Kompetenzen delegieren sollen, damit der Stadtrat während nicht-öffentlichen Verhandlungen flexibler und zeitnah agieren kann.
«Ich begebe mich doch nicht in Vertragsverhandlungen, wo die Gegenseite bereits weiss, dass der Stadtrat über einen Spielraum verfügt, den Preis auch tiefer anzusetzen. Da ist ja jeder dumm, der sich das Grundstück zum höheren Preis aufschwatzen lässt», so Meier. «Der Stadtrat muss das Parlament anrufen, wenn er von einem Parlamentsbeschluss abweichen will. Wir sichern speditive Behandlung zu».
Simon Binder, SVP, nach seinem Präsidialjahr auch wieder redeberechtigt, gab sich weiterhin staatsmännisch: «Ich kann nachvollziehen, dass sich meine Fraktionskollegen und andere Personen im Parlament schwertun, dem Stadtrat einen derart hohen Vertrauensbonus auszusprechen. Aber ich kann auch den Stadtrat verstehen: Ein Unternehmen verfügt über kein Interesse, einen solchen Kauf in aller Öffentlichkeit unter Einbindung eines Parlamentes abzuhandeln. Eine solche Debatte hat Wirkungen. Wirkungen auf die Unternehmensmitarbeitenden, einen allfälligen bisherigen Standort usw. Das wollen Sie nicht vor aller Welt die Hosen herunterlassen. Und im Parlament müsste der Stadtrat dann höchst verklausuliert agieren».
Es half nichts. Das Parlament genehmigte zwar den Antrag des Stadtrates, wonach das Grundstück zum Mindestverkaufspreis von Fr. 10'300'000.- bzw. Fr. 730.- pro m2 zu veräussern; es verweigerte dem Stadtrat jedoch die Erteilung der Kompetenz, den Mindestverkaufspreis gegebenenfalls um Fr. 50.- pro m2 zu reduzieren, sollte sich dies als notwendig erweisen. Wenn auch um Haaresbreite: 15 Personen stimmten gegen den Antrag, 14 dafür. 4 Personen enthielten sich der Stimmabgabe.
AUF DEM HINTER-SITZ DES BEIFAHRERS.
Maxim Morskoi, SP, nahm Stellung zu einer Antwort des Stadtrates auf seine Interpellation, die auf den Kauf des Effi-Märt Komplexes fokussierte. Der Stadtrat erteilte abschlägige Auskunft. Fazit: «Der Betrieb eines Einkaufszentrums ist keine Staatsaufgabe».
«Ich freue mich, dass beim Effi-Märt etwas geht. Es war mir bislang nicht bewusst, dass dort doch Grosses ansteht», zog Morskoi ein Fazit. Die Besitzerin plant eine umfassende Sanierung der erdgeschossigen Verkaufsebene sowie ein komplettes Face-Lifting der darüberliegenden Wohneinheiten.
«Der Stadtrat zeigt sich jedoch halbherzig, was die Schaffung von günstigem Wohnraum angeht. Er sitzt nicht am Lenkrad, sondern auf dem hinteren Sitz des Beifahrer-Sitzes!», scherzte Morskoi. «Im Ernst: Bezahlbarer Wohnraum ist und bleibt ein Problem».
Morskoi sicherte zu, sich nicht zum letzten Mal zum Thema des günstigen Wohnraums zu Wort gemeldet zu haben.
WER NICHT KOMMT ZUR RECHTEN ZEIT...
«Ich hoffe, die Würste sind draussen noch nicht verkohlt», schloss Urs Gut seine erste Sitzung mit Blick auf die Uhr.
Nach der Sommerpause wird das Parlament anlässlich der September-Sitzung die Verfahrensanträge zur Volksinitiative «Verkauf Grundstück ‘Alter Werkhof’ ohne wertmindernde Auflagen – zum Wohl unserer Stadt» behandeln. Auch da dürfte das Thema «Wohnen» debattiert werden.
Der detaillierte Wortlaut der Anträge und Beschlüsse ist bei der Stadtverwaltung, Abteilung Präsidiales, 4. OG, Stadthaus, Märtplatz 29, Effretikon oder online unter www.ilef.ch/geschaefte einsehbar.
Der Beschluss unter Ziffer B.1 untersteht dem fakultativen Referendum.
Das Begehren um Anordnung einer Urnenabstimmung über die Beschlüsse kann gestützt auf § 157 Abs. 3 lit. a des Gesetzes über die politischen Rechte (GPR) i.V.m. Art. 15 Ziff. 2 Gemeindeordnung (GO) von 300 Stimmberechtigten innert 60 Tagen gerechnet ab dem Tag nach der Veröffentlichung oder gestützt auf § 157 Abs. 3 lit. b GPR von einem Drittel der Mitglieder des Stadtparlamentes innert 14 Tagen gerechnet ab dem Tag nach der Beschlussfassung schriftlich beim Stadtrat eingereicht werden.