Kopfzeile

Inhalt

Vielfalt auf höheren Etagen

19. Mai 2023
Begrünte Flachdächer bieten Pflanzen und Insekten, die natürlicherweise in trockenen Magerwiesen vorkommen, einen Ersatz für ihren rar gewordenen Lebensraum.

Begrünte Flachdächer können Oasen sein. Denn sie bieten Pflanzen und Insekten, die natürlicherweise in trockenen Magerwiesen vorkommen, einen Ersatz für ihren rar gewordenen Lebensraum. Ein Augenschein auf dem Flachdach des Stadthaussaals in Effretikon.


Die bunten Blüten, die den Besucherinnen und Besuchern entgegenlachen, signalisieren deutlich: Auf diesem Dach gibt es viel zu entdecken. In voller Blüte stehen zurzeit die Kugelblumen. Ihre blaulila, kugeligen Blütenköpfe – daher der Name – bestehen aus bis zu 200 Einzelblüten. Nach dem Verblühen wachsen die Stängel kräftig in die Höhe, was die Ausbreitung der Samen unterstützt.

Auch der Wundklee blüht. Bei schönem Wetter lockt er viele Insekten an. Vor allem Hummeln lieben seine gelben Blüten. Den Namen verdankt er der Verwendung als Heilpflanze. Die Wiesensalbei lässt sich mit dem Aufblühen etwas mehr Zeit als ihre Nachbarn. Während die Blütenstände langsam in die Höhe wachsen, entfaltet sich von unten her eine violettblaue Blüte nach der anderen.
 

SCHÖNHEIT IM KLEINFORMAT

Die Blütenköpfe des Kleinen Wiesenknopfs stechen uns nicht ins Auge, denn ihnen fehlen farbige Blütenblätter. Um ihre Schönheit zu entdecken, müssen wir genauer hinschauen. Im Zentrum der grünlichen, dicht stehenden Einzelblüten bilden die Fruchtblätter (weibliche Teile der Blüte) kleine rote Büschel. Die männlichen Teile, die Staubblätter, zeigen sich als dünne Fäden, die aus den Blüten heraushängen.

Genaues Hinschauen oder sogar eine Lupe ist nötig, um die Eigenheiten des Dreifingerigen Steinbrechs zu entdecken. Die ganze Pflanze ist dicht mit winzigen Drüsenhaaren besetzt, an deren Ende ein Tröpfchen klebrige Flüssigkeit hängt. Kleine Insekten bleiben gelegentlich darauf kleben. Ob das unscheinbare Kraut zu den fleischfressenden Pflanzen gehört, ist bislang nicht geklärt.
 

WASSER SPAREN IST PFLICHT

Wie schaffen es die Pflanzen, die hier wachsen, eine längere Trockenheit zu überleben? In der Natur sind alle an trockenen, sonnigen und warmen Standorten zu finden. Sie haben unterschiedliche Überlebensstrategien entwickelt. Die wichtigste ist der haushälterische Umgang mit Wasser. So sorgen zum Beispiel dicht stehende Haare dafür, dass sich um die Pflanze eine dünne, feuchte Luftschicht bilden kann. Dies drosselt die Verdunstung.

Einige Pflanzen speichern Wasser. Der Mauerpfeffer wendet dieses Prinzip an. Dadurch wirken die Blätter dick und fleischig. Andere Pflanzen leben nur kurze Zeit und vertrauen auf eine erfolgreiche Fortpflanzung, so wie der Dreifingerige Steinbrech. Die kleine Pflanze entwickelt sich bereits ab März und blüht bald danach. Wenn die grosse Sommerhitze da ist, hat sie längst reife Samen gebildet. Die Mutterpflanze stirbt, aber im nächsten Frühjahr keimen ihre Samen.

Eine in kurzer Zeit erstellte und somit unvollständige Liste zählt 25 verschiedene Pflanzenarten auf dem Dach, nebst den bereits beschriebenen auch Habichtskräuter, Thymian, Hornklee und Spitzwegerich. Ein wahres Paradies für die Natur.
 

GUT ZU WISSEN

  • Begrünte Flachdächer beherbergen Pflanzen und Tiere; sie wirken zudem ausgleichend aufs Klima der unmittelbaren Umgebung.
  • Eine Begrünung lässt sich problemlos mit einer Solaranlage kombinieren. Die einzige Bedingung ist, dass die Pflanzen nicht zu hoch wachsen (Samenmischung aus niedrig wachsenden einheimischen Pflanzen wählen). Die Solaranlage kann im Sommer sogar effizienter arbeiten, weil sie sich dank begrüntem Untergrund weniger aufheizt.
     

WAS KANN ICH TUN?

  • Falls Sie selbst für ein begrüntes Dach verantwortlich sind: Entfernen Sie regelmässig unerwünschte Pflanzen. Dazu gehören aufkommende Gehölze und invasive Neophyten. Insbesondere das Einjährige Berufkraut siedelt sich oft auf Flachdächern an. Dieses verdrängt andere Pflanzen, was die Vielfalt auf dem Dach reduziert. Zudem gelangt es vom Dach rasch in die Umgebung.

 

VERANSTALTUNGSHINWEIS

Ausstellung invasive Neophyten
An der Ausstellung lernen Sie rund zwei Dutzend invasive Neophyten kennen. Sie gefährden die Vielfalt der Natur. Helfen Sie mit, gebietsfremde Pflanzen zu bekämpfen.

  • 26. Juni bis 2. Juli 2023: Ottikon, Vorplatz beim Volg
  • 3. bis 9. Juli 2023: Illnau, Max-Binder-Platz

Rundgang Biodiversität
Kommen Sie mit auf einen Rundgang durchs Quartier mit Marc Weiss, Leiter Naturschutz.
Wir schauen Gärten an und besprechen konkrete Ideen, wie Biodiversität gefördert werden kann. Treffpunkt bei der Ausstellung.

  • 28. Juni 2023, 19.00 – 20.00 Uhr, Ottikon
  • 7. Juli 2023, 18.00 – 19.00 Uhr, Illnau
     
Kugelblumen
Blühende Kugelblumen (blaulila), Wundklee (gelb), Wiesensalbei (violettblau) und Kleiner Wiesenknopf (rötlich, ganz hinten im Bild) beleben das Flachdach des Stadthaussaals in Effretikon.
Mauerpfeffer
Drei Arten Mauerpfeffer: In ihren fleischigen Blättern speichern sie Wasser für trockene Zeiten. Die Blüten erscheinen erst im Sommer.
Dreifingerige Steinbrech
Der Dreifingerige Steinbrech ist mit winzigen, klebrigen Drüsenhaaren besetzt.
Einjähriges Berufkraut
Das Einjährige Berufkraut liebt Flachdächer. Der invasive Neophyt breitet sich von dort sehr schnell in die Umgebung aus und sollte deshalb vor dem Verblühen ausgerissen werden.

Fotos: Barbara Leuthold Hasler


ZUR AUTORIN

Barbara Leuthold Hasler arbeitet als selbstständige Biologin und Bergführerin. Mit der Natur vor ihrer Haustür befasst sie sich seit Jahren – nicht nur beruflich, sondern auch als Hobby: zum Beispiel im eigenen Garten und in ehrenamtlichen Arbeitseinsätzen in Naturschutzgebieten.

 

Die Stadt Illnau-Effretikon publiziert monatlich über ihre Kommunikationskanäle und im «Regio» einen Artikel zum Thema Biodiversität. Dieser Artikel ist am 19. Mai 2023 erschienen.

Zugehörige Objekte

Name
Vielfalt auf höheren Etagen Download 0 Vielfalt auf höheren Etagen