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Der Tisch ist gedeckt

21. September 2023
Naturnahe Gärten und Hecken sind im Herbst wie ein reich gedeckter Tisch. Vor allem Vögel verköstigen sich hier gerne. Einige Beeren sind auch für uns schmackhaft.

Wenn im Herbst die orangen Beeren des Vogelbeerbaums, die schwarz glänzenden des Holunders oder die leuchtend pink-orangen Früchte des Pfaffenhütchens reifen, laden die Pflanzen zum grossen Festmahl ein. Die Tiere, allen voran die Vögel, lassen sich nicht zweimal bitten.

Einige Beeren lieben die Vögel so heiss, dass sie sie wegputzen, sobald sie reif sind. Die Vogelbeeren gehören zu dieser Sorte; der Name kommt nicht von ungefähr. Auch in einem Holunder geht es im Herbst gelegentlich zu und her wie in einer Voliere – spätestens dann, wenn Stare den Busch entdeckt haben. Dann fallen sie über die schwarzen Beeren her und fressen den Busch in kurzer Zeit kahl. Ihr Hunger ist verständlich. Sie müssen sich Fettreserven für den energiezehrenden Flug in den Süden anfressen.
 

FRESSGELAGE ZUM BEIDSEITIGEN NUTZEN

Der Nutzen ist nicht nur auf der Seite der Tiere. Auch die Pflanzen profitieren vom Fressgelage. Viele Samen überstehen den Durchgang durch den Magen und den Darm der Tiere unbeschadet. Mit dem Kot werden sie irgendwo abgesetzt, wo sie ohne fremde Hilfe niemals hingelangt wären. Die Tiere sorgen so entscheidend für die Ausbreitung der Pflanzen. Mit dem Kot, der als Dünger wirkt, erhalten die Samen darüber hinaus gleich ein Startkapital für die erste Zeit des Wachstums.

Die bei Vögeln so beliebten Vogel- und Holunderbeeren bekommen auch uns gut. Die Beeren sind reich an Vitaminen und Mineralstoffen. Sie lassen sich zu Saft und Gelée verarbeiten oder als Trockenobst geniessen. Beim Verzehr von frischen Beeren ist allerdings Vorsicht geboten: Die Vogelbeeren wirken abführend, frische Holunderbeeren in grösseren Mengen können Übelkeit verursachen.
 

WENIGER BELIEBT, ABER NICHT MINDER WERTVOLL

Auf andere Früchte sind die Tiere offenbar weniger scharf. Die matten, blau-schwarzen Beeren des Schwarzdorns zum Beispiel bleiben jeweils bis lange in den Winter an den Zweigen hängen. Erst wenn sie schrumpelig und schwarz sind, tun sich die Vögel nach und nach gütlich daran. Die Geduld der Vögel hat einen einfachen Grund: Vor dem ersten Frost sind die Beeren so sauer, dass sie schlicht ungeniessbar sind. Der langsame Reifeprozess macht sie zu einem idealen Wintervorrat für alle Tiere, die weder in den Süden ziehen, noch einen Winterschlaf abhalten.

Wegen ihres hohen Gehalts an Vitamin C sind die reifen Schwarzdornbeeren auch für uns wertvoll. Als Saft, Schlehenwein oder Schnaps können sie gegen Verdauungsprobleme und Rheuma helfen oder die Immunabwehr stärken.

 

NUR ZUGREIFEN, ABER NICHT ÜBERALL!

Aber Vorsicht: Nicht alle Früchte, die schön aussehen, tun uns gut. Einige sind giftig, wie zum Beispiel die knalligen, pink-orangen Früchte des Pfaffenhütchens. Sie können Magen-Darm-Beschwerden, Kreislaufstörungen oder sogar Lähmungserscheinungen verursachen. Vögel naschen hingegen gerne davon, ohne sich zu vergiften.

 


WAS KANN ICH TUN?

  • Wählen Sie einheimische Sträucher für Ihren Garten oder Balkon, denn einheimische Pflanzen werden von vielen Insekten, Vögeln und anderen Tieren genutzt. So suchen beispielsweise 18 verschiedene Vogelarten im Vogelbeerbaum nach Nahrung; im Schwarzen Holunder sind es 16, im Pfaffenhütchen 15.
  • Mit fremden Pflanzen kann die einheimische Tierwelt oft wenig bis nichts anfangen. Dies ist jedoch nicht immer der Fall. Einige invasive Neophyten bilden Beeren, die von Vögeln gefressen und so verschleppt werden. Der Kirschlorbeer oder das Henrys Geissblatt gehören dazu. Die Beeren solcher Pflanzen sollten Sie unbedingt abschneiden und entsorgen, bevor sie reif sind. Noch besser ersetzen Sie fremde Pflanzen durch einheimische.


WAS SIND NEOPHYTEN UND WANN WERDEN SIE ALS INVASIV BEZEICHNET?

Neophyten sind gebietsfremde Pflanzen, die nach der Entdeckung Amerikas hierher gelangt sind und in unserer Region natürlicherweise nicht vorkommen. Leider breiten sie sich stark aus und verursachen oft erhebliche Schäden an Gebäuden, verdrängen einheimische Arten und reduzieren die Biodiversität. Sie werden deshalb als «invasive Neophyten» bezeichnet. Auch in der Land- und Forstwirtschaft können sie Probleme verursachen. Einige Arten sind zudem gesundheitsschädlich für Mensch und Tier. Weitere Infos: www.neophyten-schweiz.ch, www.infoflora.ch.
 

Gemeiner Schneeball
Die glänzend roten Beeren des Gemeinen Schneeballs bleiben oft bis in den Winter an den Zweigen hängen. Erst dann fressen Amseln, Drosseln oder andere Vögel davon.
Schwarzdornbeeren
Schwarzdornbeeren sind erst nach dem ersten Frost geniessbar.

 

Staren am Pfaffenhütchen
Eine Schar Staren tut sich an den bunten Früchten eines Pfaffenhütchens gütlich. Für uns Menschen sind diese giftig.
Vogelbeerbäume
Vogelbeerbäume mit reifen Früchten ernähren nicht nur viele Tiere, sondern sind auch eine Augenweide.
Eine Mönchsgrasmücke im Schwarzen Holunder
Eine Mönchsgrasmücke sucht in einem Schwarzen Holunder nach reifen Früchten.

 

ZUR AUTORIN

Barbara Leuthold Hasler arbeitet als selbstständige Biologin und Bergführerin. Mit der Natur vor ihrer Haustür befasst sie sich seit Jahren – nicht nur beruflich, sondern auch als Hobby: zum Beispiel im eigenen Garten und in ehrenamtlichen Arbeitseinsätzen in Naturschutzgebieten.

 

Die Stadt Illnau-Effretikon publiziert monatlich über ihre Kommunikationskanäle und im «Regio» einen Artikel zum Thema Biodiversität. Dieser Artikel ist am 21. September 2023 erschienen.

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