Gartenflucht der grünen Wand
Kirschlorbeer war lange Zeit die erste Wahl, wenn es darum ging, in Gärten eine Hecke als Sichtschutz anzulegen. Entsprechend häufig wächst die Pflanze in unseren Siedlungen. Aus den Gärten ist der Kirschlorbeer verwildert und sorgt nun in Wäldern für Probleme.
Eine Wand aus glänzenden grünen Blättern türmt sich vor den Passanten auf. Die Blätter stehen so dicht, dass weder ein Blick, noch ein Sonnenstrahl hindurchdringt. Wir stehen vor einer Kirschlorbeerhecke, wie sie im Siedlungsgebiet weit verbreitet sind. «Kirschlorbeer» ist im Grunde ein irreführender Name, denn die Pflanze ist kein Lorbeer, sondern ein Rosengewächs und verwandt mit dem Kirschbaum. Dies zeigt sich bei den Früchten: Das anfangs grüne, später schwarze Fruchtfleisch umschliesst einen kleinen Steinkern, den Samen. Mit dem Lorbeer ist der Kirschlorbeer nicht einmal verwandt. Aber die Ähnlichkeit seiner immergrünen, derben Blätter mit den Lorbeerblättern hat ihm seinen Namen eingebracht.
ACHTUNG: GIFTIG UND INVASIV!
Auch zum Würzen eignen sich die Blätter des Kirschlorbeers nicht – sie sind nämlich giftig. Sie enthalten Blausäure, die unter anderem dafür sorgt, dass die Blätter nur sehr schwer verrotten. Auch die Früchte sind giftig, wenn sie zerkaut werden. Zerkaute Samen setzen im Magen ebenfalls Blausäure frei, was zu Übelkeit, Erbrechen, Herzrasen und Krämpfen führen kann. Etwas mehr als zehn zerkaute Samen können bei Kindern tödlich wirken.
Eigentlich erstaunlich, dass wir ein so giftiges Gewächs aus Westasien und Südosteuropa als Zierpflanze in unser Land geholt haben. Aber der Kirschlorbeer erfüllt gleich mehrere Bedingungen, die viele Gartenbesitzer/innen an Heckenpflanzen stellen: Er wächst rasch, gedeiht an sonnigen wie an schattigen Standorten, ist immergrün und lässt sich gut zurückschneiden, sodass relativ schnell eine blickdichte Hecke entsteht.
Wildtiere können den Neophyten hingegen nur sehr beschränkt nutzen, weil der Kirschlorbeer auch für viele von ihnen giftig ist. Aber manche Vögel fressen die Früchte, was ihnen nicht schadet, und fördern damit die unkontrollierte Ausbreitung der Pflanze.
Besonders in Wäldern kann sich der Kirschlorbeer ansiedeln – und verhält sich hier invasiv: Weil kaum Licht durch sein dichtes, immergrünes Blätterdach fällt, wächst unter einem Kirschlorbeer praktisch nichts mehr – kein Kraut, kein Strauch, kein junger Baum. Die beliebten Frühlingsblüher wie Buschwindröschen, Maieriesli oder Bärlauch verschwinden, und einheimische Bäume können nicht mehr aufkommen.
GEGENSTEUER GEBEN
Was ist zu tun? – Das Übel an der Wurzel packen, und zwar wörtlich! Die Stadt Illnau-Effretikon und die Gemeinde Lindau wollen mit der diesjährigen Ausreissaktion (siehe Kasten) einen Anstoss geben und möglichst viele Besitzer/innen von Privatgärten dazu motivieren, ihren Kirschlorbeer auszureissen und zu ersetzen.
Alternativen zum Kirschlorbeer gibt es genügend. Wie wäre es zum Beispiel mit einem Gewöhnlichen Schneeball, der im Frühling mit seinen weissen Blüten viele Insekten anlockt und im Herbst mit den roten Beeren und dem orangerot verfärbten Laub als wahre Augenweide auftritt? Auch immergrüne Pflanzen kann die einheimische Flora bieten, so die Eibe oder der Efeu. Letzterer ist für Insekten besonders wertvoll, weil er erst im Herbst blüht, wenn sonst kaum mehr Blüten vorhanden sind.
KAMPAGNE DER STADT ILLNAU-EFFRETIKON
Die Stadt Illnau-Effretikon und die Gemeinde Lindau haben diesen Frühling eine Ausreissaktion gestartet. Besitzerinnen und Besitzer von Privatgärten können sich kostenlos beraten und den Kirschlorbeer nach Möglichkeit entfernen lassen. Für Ersatz müssen sie selber sorgen.
Im Rahmen dieser Aktion haben die Stadt Illnau-Effretikon und die Gemeinde Lindau dieses Jahr bereits 36 Beratungen durchgeführt und in total 115 Arbeitsstunden rund 7.5 Tonnen Kirschlorbeer ausgerissen. Weitere Ausreissaktionen sind für diesen Herbst geplant.
Eine Frage, die immer wieder auftaucht: Weshalb darf der Kirschlorbeer immer noch verkauft werden? – Weil der Gesetzgeber hier leider hinterherhinkt. Immerhin besteht eine Deklarationspflicht, was zu absurden Situationen führen kann. So riss der Forstdienst diesen Sommer Kirschlorbeer aus, an dem immer noch folgendes Hinweisschild hing: «Invasive Neophyten – kann Schäden in der Umwelt verursachen.»
ZUR AUTORIN
Barbara Leuthold Hasler arbeitet als selbstständige Biologin und Bergführerin. Um die Natur in ihrer Wohngemeinde kümmert sie sich als Naturschutzbeauftragte der Stadt Illnau-Effretikon und in ehrenamtlichen Arbeitseinsätzen in Naturschutzgebieten.
Die Stadt Illnau-Effretikon und die Gemeinde Lindau haben im Frühling eine Kampagne gestartet, um die Bevölkerung auf die Problematik der invasiven Neophyten und Neozoen aufmerksam zu machen.
Monatlich publiziert die Stadt über ihre Kommunikationskanäle und im «Regio» einen Artikel zum Thema Biodiversität. Dieser Artikel ist am 22. September 2022 erschienen.
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Regio Artikel «Gartenflucht der grünen Wand» vom 22. September 2022 (PDF, 631.1 kB) | Download | 0 | Regio Artikel «Gartenflucht der grünen Wand» vom 22. September 2022 |
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