Hochzeitswanderung bei Nacht und Regen
Bald wird es wieder losgehen: Frösche und Kröten erwachen aus ihrer Winterstarre und machen sich auf den Weg zu ihrem Laichgewässer, um sich zu paaren.
Amphibien überdauern den Winter gut versteckt in einer Winterstarre. Bereits ab Mitte Februar, wenn die Temperatur in ihrem Versteck im Boden auf mindestens fünf bis sechs Grad ansteigt, erwachen sie. Grasfrösche und Erdkröten sind die ersten, die sich regen. Unverzüglich machen sie sich auf den Weg zu ihrem Laichgewässer, dem Gewässer, das ihre eigene Kinderstube war. Dabei legen sie mehrere hundert Meter bis zu einigen Kilometern zurück. An regnerischen, milden Frühjahrsabenden sind manchmal viele Tiere gleichzeitig unterwegs. Müssen sie auf ihrer Wanderung eine Strasse überqueren, kommt es ohne Schutzmassnahmen zu einem «Massaker».
ZÄUNE ODER STRASSENSPERRE
Auf etlichen bekannten Routen halten Amphibienzäune die Tiere davon ab, auf die Strasse zu hüpfen. Allein im Kanton Zürich stellt der Unterhaltsdienst der Fachstelle Naturschutz jährlich rund zehn Kilometer Zäune auf. Auf der Suche nach einem Durchschlupf im Zaun fallen die Amphibien in ebenerdig vergrabene Eimer und werden dann von Helferinnen und Helfern über die Strasse getragen. Beim Illnauer Örmis, einem Amphibienlaichgebiet von nationaler Bedeutung, wurde dies jedoch zu gefährlich. Statt dass Zäune den Amphibien den Weg verstellen, bleibt die Strasse zwischen Illnau und Bisikon gesperrt – wenigstens zur Zeit der Laichwanderung zwischen 18 und 7 Uhr.
STRESS IM LAICHGEWÄSSER
Sind die Amphibien endlich im Laichgewässer angekommen, geht der Stress für sie erst richtig los. Denn die Männchen sind in der Überzahl. Hat ein Frosch- oder Krötenmann endlich eine Frau gefunden, hält er sie fest umklammert, bis sie den ganzen Laich ins Wasser abgegeben hat und er ihn besamen kann. Bei Erdkröten dauert das 6 bis 10, gelegentlich bis zu 24 Stunden. Wenn sie das Laichgeschäft abgeschlossen haben, verlassen die Erdkröten und Grasfrösche das Wasser. Den Rest des Jahres verbringen sie in den umliegenden Wäldern, Wiesen oder Gärten.
NUR WENIGE ÜBERLEBEN
Nun beginnt für die Nachkommen der Ernst des Lebens. Überall lauern Fressfeinde und andere Gefahren. Im Laufe des Sommers durchlaufen die Kaulquappen eine Metamorphose: Der Schwanz und die Kiemen bilden sich zurück, Beine und Lungen wachsen, bis die Tiere als fingerbeergrosse Fröschchen und Krötchen an Land steigen. Bei feuchtwarmer Witterung findet eine weitere Massenwanderung statt.
Bis die Tiere als erwachsene, paarungsbereite Amphibien in ihr Gewässer zurückkehren, werden ein paar Jahre verstreichen. Die allermeisten werden ihr Gewässer jedoch nie mehr sehen. Von den 2000 bis 3000 Eiern, die jedes Weibchen ins Wasser ablegt, erreichen nur gerade ein bis drei Nachkommen das fortpflanzungsfähige Alter.
WAS KANN ICH TUN?
Von den 20 Amphibienarten (Frösche, Kröten, Molche und Salamander), die in der Schweiz vorkommen, gelten 14 als gefährdet. Die Hauptursachen für den starken Rückgang der Amphibien sind die Zerstörung und Zerstückelung ihrer Lebensräume und der Verkehr. Im Siedlungsraum drohen weitere Gefahren durch Hauskatzen, Goldfische in Gartenteichen und Fallen wie Schächte oder Treppenabgänge.
So können Sie den Amphibien helfen:
- Retten Sie Tiere von der Strasse, indem Sie sie aufheben und am nächsten sicheren Ort absetzen – ohne sich dabei selbst zu gefährden. Anschliessend sollten Sie die Hände waschen, weil die Amphibien in ihrer Haut ein Sekret produzieren, das Augen und Schleimhäute reizt.
- Falls Sie einen eigenen Garten besitzen, bieten Sie Unterschlüpfe an: Amphibien, aber auch andere Kleintiere verstecken sich gerne unter dichten Gebüschen, Holzbeigen, Laubhaufen und ähnlichem.
- Entschärfen Sie Fallen: Schächte am besten mit feinmaschigen Gittern abdecken, Treppenabgänge mit überhöhtem Rand (20 cm) umgeben und/oder mit schwellenlosen Rampen versehen.
Der Verein Naturschutz Illnau-Effretikon hat in Zusammenarbeit mit dem Unterhaltsdienst der Stadt Illnau-Effretikon in den letzten Jahren besonders gefährliche Strassenschächte mit Ausstiegshilfen versehen lassen. Fallen Amphibien in die Schächte, können sie wieder hinausklettern; ohne Hilfe sind die Tiere gefangen und verenden.
Fotos: Barbara Leuthold Hasler
ZUR AUTORIN
Barbara Leuthold Hasler arbeitet als selbstständige Biologin und Bergführerin. Um die Natur in ihrer Wohngemeinde kümmert sie sich als Naturschutzbeauftragte der Stadt Illnau-Effretikon und in ehrenamtlichen Arbeitseinsätzen in Naturschutzgebieten.
NEOPHYTHEN
Über 800 Pflanzen- und Tierarten, die aus fremden Ländern stammen, haben sich bei uns etabliert. Rund 10 % dieser Neobiota, wie Neophyten (Pflanzen) und Neozoen (Tiere) zusammengefasst genannt werden, verhalten sich bei uns invasiv. Das heisst, sie vermehren sich unkontrolliert und verdrängen einheimische Arten; manche von ihnen gefährden zudem die Gesundheit von Mensch und Tier. Ob oder wann eine fremde Art invasiv wird, ist völlig unvorhersehbar.
Die Stadt Illnau-Effretikon und die Gemeinde Lindau haben im Frühling eine Kampagne gestartet, um die Bevölkerung auf die Problematik der invasiven Neophyten und Neozoen aufmerksam zu machen. Monatlich publiziert die Stadt über ihre Kommunikationskanäle und im «Regio» einen Artikel zum Thema Biodiversität. Dieser Artikel ist am 16. Februar 2023 erschienen.
Zugehörige Objekte
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