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Ein Greifvogel, dem es in der Schweiz gut geht

25. Januar 2024
Seine Silhouette am Himmel ist unverwechselbar und hierzulande keine Seltenheit: Der Rotmilan ist bei uns ein weit verbreiteter Brutvogel. Das war nicht immer so.

Der grosse Vogel segelt im tiefen Suchflug knapp über das Hausdach, dreht ab und stürzt sich in den Garten hinab. Im nächsten Moment steigt er wieder hoch, kurvt mit wenig Abstand um die Hausecke und gewinnt mit ein paar kräftigen Flügelschlägen wieder an Höhe.

Ein Rotmilan aus nächster Nähe betrachtet ist eine imposante Erscheinung. Mit beinahe zwei Metern Spannweite ist er nach dem Bartgeier und dem Steinadler der drittgrösste einheimische Greifvogel.


IM SEGELFLUG ODER ZU FUSS AUF DER JAGD

Der Rotmilan jagt mit Vorliebe kleine Tiere. In geringer Höhe segelt er über Wiesen, Felder, Seen oder Hausdächer. Er steuert den Flug permanent mit seinem charakteristischen rotbraunen Gabelschwanz und hält Ausschau nach Beute. Entdeckt er ein kleines Säugetier, einen Frosch, einen Fisch oder einen kleinen Vogel, sticht er hinab, packt zu und trägt die Beute weg. Mit kräftigen Schnabelhieben tötet er sie.

Häufig sucht der Rotmilan, während er langsam über den Boden schreitet, auch nach Würmern und Wirbellosen. Wenn eine Wiese gemäht oder ein Feld gepflügt wird, entgeht das dem scharfen Blick der Rotmilane nur selten. Dann finden sie sich oft scharenweise ein, um die aufgescheuchten Kleintiere aufzusammeln. Auch Aas oder Abfall verschmähen die Greifvögel nicht.

Wenn länger Schnee liegt oder der Boden für einige Tage gefroren bleibt, wird es für die grossen Vögel schwieriger, Nahrung zu finden. Dann lassen sie sich vermehrt über dem Siedlungsgebiet blicken. Vielleicht gibt es ja an einer Futterstelle für Singvögel etwas zu holen – keine Körnchen, aber vielleicht einen unachtsamen Besucher? Die Erfolgschance für den Rotmilan ist allerdings nicht besonders hoch. Wenn er sein Opfer nicht am Boden überraschen kann, gibt er auf. Für eine Verfolgungsjagd ist der Rotmilan zu wenig wendig.


UNSERE VERANTWORTUNG

Vor 40 bis 50 Jahren war ein Rotmilan ein seltener Anblick, vor allem im Winter. Weil der elegante Flieger verfolgt wurde, brach der Bestand bis Anfang des letzten Jahrhunderts ein. Erst ab ungefähr 1950 begann er sich langsam zu erholen. Früher überwinterten die meisten Rotmilane in Spanien. Seit einigen Jahrzehnten bleiben sie auch in der kalten Jahreszeit immer häufiger bei uns.

Rotmilane kommen fast nur in Europa vor. Ein beachtlicher Teil von ihnen hat sich unser Land als Heimat gewählt: Fünf Prozent aller weltweit vorkommenden Rotmilane brüten in der Schweiz – eine beachtliche Zahl. Während der Bestand bei uns zunimmt, sinkt er in den meisten europäischen Ländern. Damit haben wir in der Schweiz eine grosse Verantwortung für das Überleben des Rotmilans.

 

 

Rotmilan bei Futter
Ein Rotmilan hat in einem Garten Futter gefunden. Der kräftige, gelbe Schnabel wird mit zunehmendem Alter bleicher.
Rotmilan im Flug
Neben dem gegabelten Schwanz sind die weissen Flügelfelder charakteristisch für den Rotmilan.

 

ZUR AUTORIN

Barbara Leuthold Hasler arbeitet als selbstständige Biologin und Bergführerin. Mit der Natur vor ihrer Haustür befasst sie sich seit Jahren – nicht nur beruflich, sondern auch als Hobby: zum Beispiel im eigenen Garten und in ehrenamtlichen Arbeitseinsätzen in Naturschutzgebieten.

 

Die Stadt Illnau-Effretikon hat im Frühling 2022 eine Kampagne gestartet, um die Bevölkerung über den Nutzen und die Schönheit von Biodiversität im Siedlungsraum zu informieren. Monatlich erscheint im «Regio» ein Artikel zum Thema. Dieser Artikel ist am 25. Januar 2024 erschienen.

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