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Wir brauchen wieder dunkle Nächte

22. August 2024
Zu viel Licht schadet Tieren, Pflanzen und nicht zuletzt auch uns selbst.

Licht verbinden wir seit Jahrtausenden mit positiven Gefühlen wie Wärme, Geborgenheit und Fortschritt. Aber zu viel Licht schadet Tieren, Pflanzen und nicht zuletzt auch uns selbst.

Die Erfindung der Glühbirne war ein Segen. Inzwischen haben die künstlichen Lichtquellen jedoch so stark zugenommen, dass es in besiedelten Gebieten kaum noch dunkle Nächte gibt. Satellitenbilder der nächtlichen Welt zeigen dies eindrücklich. Im Schweizer Mittelland ist heute kein Quadratkilometer mehr zu finden, der völlig dunkel ist. Diese Lichtverschmutzung hat weitreichende Folgen für die ganze Umwelt.
 

LICHT IN DER NACHT STIFTET VERWIRRUNG

Rund die Hälfte aller wirbellosen Tiere – dazu gehören insbesondere die Insekten – sind nachtaktiv. Künstliche Lichtquellen in der Nacht stören sie empfindlich. So finden beispielsweise Glühwürmchen in der Nähe beleuchteter Strassen oder Gärten keine Geschlechtspartner, weil ihr eigenes Licht gegenüber dem künstlichen zu wenig hell ist. Viele nachtaktive Insekten werden von Kunstlicht angezogen oder gar versengt. An einer einzigen Strassenlaterne sterben in einer Sommernacht rund 150 Insekten. Dabei hätte die Natur für sie wichtigere Aufgaben vorgesehen, zum Beispiel für Nachwuchs zu sorgen oder Pflanzen zu bestäuben. Forscher konnten zeigen, dass in beleuchteten Gebieten weniger Pflanzen bestäubt wurden als in dunklen. Als Folge davon bildeten die Pflanzen an beleuchteten Standorten weniger Samen und Früchte.

Auch Vögel sind von der Lichtverschmutzung betroffen. In nebligen Nächten kreisen Zugvögel orientierungslos und bis zur Erschöpfung um beleuchtete Türme. Deutsche Ornithologen beobachteten, wie Störche ununterbrochen um die Himmelsstrahler einer Diskothek kreisten.


ZERSTÖRTE LEBENSRÄUME UND GESTÖRTE RHYTHMEN

Unter den Fledermäusen gibt es einige Arten, die sehr lichtscheu sind und beleuchtete Gebiete vollständig meiden. So dürfte zum Beispiel der Rückgang des seltenen Langohrs im Kanton Zürich hauptsächlich auf die zunehmende Lichtverschmutzung zurückzuführen sein. Im Val de Bagnes im Kanton Wallis verschwand die Kleine Hufeisennase, nachdem eine öffentliche Strassenbeleuchtung installiert worden war.

Anderen Lebewesen zerstört Kunstlicht in der Nacht zwar nicht den Lebensraum, wohl aber den natürlichen Rhythmus, wie das Beispiel des Zooplanktons in Seen zeigt. Natürlicherweise schwimmen die winzigen Tiere jede Nacht nach oben, in die Nähe der Wasseroberfläche, weil sie dort viel Futter (vor allem Algen) finden. Die Nacht wählen sie, um im Schutz der Dunkelheit nicht selbst zu Futter zu werden. In der Morgendämmerung suchen sie wieder grössere Tiefen auf. Diese tägliche Wanderung bleibt an beleuchteten Stellen eines Sees aus.

Pflanzen, die nachts einer Lichtquelle ausgesetzt sind, bilden gar keine oder früher im Jahr Blüten; im Herbst werfen sie ihr Laub später ab. Damit erhöht sich die Gefahr für Frostschäden.

Bei uns Menschen kann zu viel und zu grelles Licht Schlafstörungen verursachen, weil unsere innere Uhr aus dem Takt gerät.

Dies sind nur einige Beispiele für die negativen Auswirkungen von zu viel Licht in der Nacht. Was ist zu tun? Es braucht wieder mehr Dunkelheit! Wir alle können dazu beitragen. Das Praktische dabei ist: Die Lichtverschmutzung zu reduzieren, spart gleichzeitig Energie.
 

 

 

Informationen zum Thema Lichtemissionen in der Nacht vom Bundesamt für Umwelt

 

Gluehwuermchen
Glühwürmchen locken ihre Geschlechtspartner mit Licht an. Das funktioniert allerdings 
nur in der Dunkelheit. Kunstlicht erschwert die Paarung oder verunmöglicht sie sogar, 
weil sich Männchen und Weibchen nicht mehr finden.
Foto: AdobeStock
Das Lichtermeer von Zürich erhellt den Nachthimmel. 
Das Licht der Glühwürmchen ist weit weniger hell als das Licht der Zivilisation.
Foto: AdobeStock

 

ZUR ARTIKELSERIE 2024

Die Stadt Illnau-Effretikon und die Gemeinde Lindau haben im Frühling 2022 eine Kampagne gestartet, um die Bevölkerung über den Nutzen und die Schönheit von Biodiversität im Siedlungsraum zu informieren. Monatlich erscheint im «Regio» ein Artikel zum Thema.

 

ZUR AUTORIN

Barbara Leuthold Hasler arbeitet als selbstständige Biologin und Bergführerin. Mit der Natur vor ihrer Haustür befasst sie sich seit Jahren – nicht nur beruflich, sondern auch als Hobby, zum Beispiel im eigenen Garten und in ehrenamtlichen Arbeitseinsätzen in Naturschutzgebieten.

 

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