Mit einem energischen Schlag auf die Parlamentsglocke eröffnet Parlamentspräsident Simon Binder, SVP, seine letzte ordentliche Sitzung – und unterbricht damit die in den wuselnden Reihen des Parlamentes bereits angeregt angelaufenen tischnachbarschaftlichen Gespräche. Im Juli wird der Präsidentensessel von jemand Neuem «gewärmt». Dazu später mehr.
MAN SIEHT SICH IM LEBEN IMMER ZWEI MAL: IM KINDERGARTEN UND IM PARLAMENT.
«Ich begrüsse insbesondere Beatrice Ehmann, die erstmals für die Fraktion der GLP an einer Sitzung des Parlamentes teilnimmt», hiess Simon Binder die Neueingetretene herzlich willkommen. «So sieht man sich wieder: Beatrice und ich besuchten anno domini in Ottikon gemeinsam den Kindergarten», schmunzelte Binder. Beatrice Ehmann (mehr zu ihrer Person erfahren Sie hier) stellte sich ihren neuen Kolleginnen und Kollegen im Parlamentsrund vor. «Ich freue mich auf das gemeinsame Wirken».
JEDE SEKUNDE ZÄHLT.
In einer persönlichen Erklärung machte Luc Jacquat, SVP, auf die Thematik der sich «angesichts Grüner Ideologien» ausdehnenden Tempo 30-Zonen aufmerksam. «Diese sind in Quartieren vor allem rund um Schuleinrichtungen zum Schutz der Kinder sicherlich sinnvoll», anerkannte Luc Jacquat. «Dass sie jetzt aber auch auf wichtige Verbindungsachsen und Staatsstrassen ausgedehnt werden, ist für mich unverständlich». Luc Jacquat ist seines Zeichens Mitglied des Korps der Feuerwehr Illnau-Effretikon / Lindau. «Solche Massnahmen hindern uns an der Rettungstätigkeit und daran, schnell am Einsatzort zu sein. Jede Sekunde zählt. Auch die Rettungsinstitutionen müssen sich an gewisse Tempo-Beschränkungen halten, selbst wenn sie mit Signalhorn und Blaulicht unterwegs sind». Da die Mitglieder der Milizfeuerwehr oft aus ihrem Privatleben auf Abruf zum Einsatz gelangen, seien solche Einschränkungen nicht dienlich. «Ich möchte euch dazu anregen, gut zu überlegen, ob ihr bei nächsten Projekten dieser ideologischen Gesinnung folgen wollt».
VON ZAHNLOSEN PAPIERTIGERN UND SCHLAFENDEN STUBENKATZEN
Etwas trockener ging es dann mit den vermeintlichen «Formalien» weiter. Auf der Traktandenliste standen die Abnahme des Geschäftsberichtes und der Rechnung zum Geschäftsjahr 2024. Beide Geschäfte vermögen jetzt nicht unbedingt den Anschein zu erzeugen, dass sie besonders spannend wären. Sie gehören allerdings zum festen Bestandteil der parlamentarischen Kontrolle und Aufsicht – verkommen aber oft zur «Vergangenheitsbewältigung» oder zu «Durchwink-Geschäften».
Kommissionsreferent Daniel Huber, SVP, würdigte den inhaltlich und visuell ansprechend aufbereiteten Geschäftsbericht. Auch wenn die Berichterstattung zu den erreichten Meilensteinen im Anhang beim Schwerpunktprogramm zur laufenden Amtsdauer aus Sicht der Geschäftsprüfungskommission durch den Stadtrat etwas vernachlässigt worden war.
«Aus einem zahnlosen Tiger, ist eine schlafende Stubenkatze geworden», verschaffte Annina Annaheim, Fraktionspräsidentin der SP, ihrem Unmut Luft – wohl aber mehr zum gesamten Schwerpunktprogramm, das sie bereits bei dessen Präsentation kritisiert hätte. Zwischenzeitlich «ist da einfach zu wenig gegangen», so Annaheim.
UND NUN LIVE VOM PARLAMENTSDACH: ILEF-METEO.
«Danke für diesen Wetterbericht», quittierte Parlamentspräsident Binder die Ausführungen von Stadtrat Philipp Wespi, zuständig für die Stadtkasse. Dieser bediente sich zur Untermalung seines Vortrages reich an Gleichnissen, Bildnissen und Metaphern zu Petrus’ Instrumentarien und Möglichkeiten, das Wetter zu gestalten. Etwa so muss sich der Hofstaat gefühlt haben, wenn Klein-Mozart vor der versammelten Aristokratie in die Tasten griff, und damit das Publikum verzückte. «Nach den dunklen Wolken, die aufgezogen sind, stehen wir nun im anhaltend seichten Regen», malte Wespi mit Worten, angereichert mit finanztechnischen Begriffen wie zu tiefem Cashflow, Selbstfinanzierungsgrad, Investitionstätigkeit, Nettoschuld pro Kopf, und so weiter.
Zur Disziplin wurde das Parlament allerdings bereits zu Beginn der Debatte gerufen: «Sparen auch mit Worten! Das angekündigte Sparpaket wird nicht heute, sondern dann im Rahmen des Budgets hier drin diskutiert».
Geschäftsbericht und Jahresrechnung – wir wissen es, letztere schloss nach Jahren der ertragsreichen Überschüsse erstmals wieder mit einem satten Minus von Fr. 1.5 Mio. – wurden schlussendlich einstimmig angenommen.
VON DÖNERN UND VERPFLEGUNGSAUTOMATEN.
Sage und schreibe 11 Voten provozierte das Postulat von Simone Wegmann und Melanie Haas, Mitte. Beide wollten den Stadtrat damit anregen, aufzuzeigen, ob an der Oberstufe eine Mittagsverpflegung mittels Automatenausgabe eingerichtet werden kann. Die Parlamentarierinnen und Parlamentarier spielten sich während einer Stunde Argumente wie Kosten, Kostendeckung, Chancengleichheit, aber auch bestehende Verpflegungsmöglichkeiten samt Bewertung von deren Sinnhaftigkeit (Coop, Döner-Kebap-Stand, Selbstmitgebrachtes, usw.) wie Ping-Pong-Bälle zu.
Die Diskussion gipfelte aber im übergreifenden Argument, ob es nun eine Staatsaufgabe sei, für die Verpflegung von Oberstufen-Schülerinnen und -Schüler zu sorgen. «Was klar ist: Sicherlich ist es nicht Aufgabe des Parlamentes, über diese gesellschaftspolitische Grundsatzfrage zu diskutieren. Das ist eine Erziehungsfrage.», brachte es Simone Schädler, EVP, unvermittelt auf den Punkt.
Dennoch: Der Stadtrat muss das Anliegen nun prüfen. 19 Volksvertreterinnen und Vertreter überwiesen ihm den Vorstoss zur Berichterstattung. 9 sprachen sich nicht dafür aus. Der Stadtrat hat ein Jahr Zeit, das Ansinnen zu prüfen. Ergebnisoffen.
DIE SACHE MIT DEM STADTBILD.
«Ich weiss nicht, ob wir in der gleichen Stadt leben», gab ein emotional berührter Stadtrat Erik Schmausser, GLP, zu verstehen, nachdem Annina Annaheim, SP, ihren Vorstoss für bunte Sitzgelegenheiten im öffentlichen Raum begründete. «Du zeichnest ein derart düsteres Bild von unserer Stadt, das diese so einfach nicht verdient».
Annina Annaheim lud den Stadtrat ein, das «triste» Stadtbild mit kunstvoll gestalteten Sitzgelegenheiten aufzuwerten. «Effretikon wird gemeinhin als unattraktiv wahrgenommen. In der Öffentlichkeit, aber auch in den Gesellschafts-Medien, werden wir oft Subjekt von abwertenden Witzen und Sprüchen. Dieser Negativ-Konotierung gilt es zu begegnen», so Annaheim. Sie zeigte dem Stadtrat frühere Projekte, beispielsweise aus der Stadt Zürich, die auf kreative Art und Weise zur Aufwertung des öffentlichen Raumes beitrugen – erinnern Sie sich an die bunte Kuh-Aktion aus den späten 1990er-Jahren?
«Alle diese Projekte sind im Kern sicherlich sympathisch und ansprechend. Gerade zum jetzigen Zeitpunkt können wir sie uns aber nicht leisten – und angesichts der regen Bautätigkeit gibt es dafür während den anhaltenden Bauphasen auch kaum Platz», gab etwa Katharina Morf, FDP, zu bedenken.
«Der Stadtrat könnte einen Wettbewerb, Sponsoring oder eine Zusammenarbeit mit dem Gewerbeverein, den Schulen, usw. lancieren. Die Ideen wären unerschöpflich», entgegnete die Vorstoss-Urheberin.
«Die Stadt verfügt nachweisbar über zahlreiche ‘Sitzbänkli’ des Verkehrs- und Verschönerungsvereins Illnau-Effretikon VVIE. Und sie sind rot.», intervenierte Stadtrat Erik Schmausser, Ressort Tiefbau. Im Rahmen der aktuellen Gestaltungspläne zur Aufwertung des Zentrums messe die Stadt der Gestaltung des öffentlichen Raumes eine hohe Bedeutsamkeit bei. Und: «Wir müssen auch an die Unterhaltskosten denken».
Und so kam, was sich aus der Debatte bereits abzeichnete: «Sie haben das Postulat mit 22 zu 6 Stimmen nicht an den Stadtrat überwiesen», stellte Parlamentspräsident Binder fest.
Anlässlich der nächsten Sitzung wird sich die Geschäftsleitung des Parlamentes für das letzte Amtsjahr der Legislatur 2022 – 2026 konstituieren. Die Parlamentarierinnen und Parlamentarier wählen dann ihren neuen Präsidenten bzw. ihre neue Präsidentin. Wer auf Simon Binder, SVP, folgt, erfahren Sie am 10. Juli 2025.
Zudem:
Das Parlament...
...besprach die Antwort des Stadtrates zur Interpellation von Tamara Kuhn, SVP, zur Neubeurteilung der Standorte der Defibrillatoren
...genehmigte die Bauabrechnung für die Errichtung des Dorfplatzes in Bisikon.
Der detaillierte Wortlaut der Anträge und Beschlüsse ist bei der Stadtverwaltung, Abteilung Präsidiales, 4. OG, Stadthaus, Märtplatz 29, Effretikon oder online unter www.ilef.ch/geschaefte einsehbar.
Gegen die Beschlüsse unter Ziffer A.1 bis A.5 ist das Referendum ausgeschlossen.