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Leitartikel Oktober 2021; Stadträtin Erika Klossner-Locher

18. Oktober 2021
Sönd Wöllkomm!

Genau so fühlt man sich, wenn man in den kleinen Kanton Appenzell Innerrhoden fährt, der bevölkerungsmäs­sig einige Einwohnerinnen und Einwohner weniger zählt wie unsere Stadt Illnau-Effretikon, aber mit einer Stan­desstimme und ei­nem Nationalrat in Bern vertreten ist. Bei sonnigem Herbstwetter von einer lieblichen Hügel­landschaft empfangen zu werden, um dann den trotzigen Alpstein vor Augen zu haben, da geht mir das Herz auf. Ich will es gleich aufdecken: Ich bin Appenzellerin, aber Bürgerin von Ausserrhoden. Auch wenn es ab und zu «träffe» Sprüche zwischen den Einheimischen der beiden Halbkantone gibt, ist die gegenseitige Anerken­nung gross. Schon als kleines Mädchen hat mich das Innerrhodische mit seinen Bergen fasziniert. Nirgendwo kenne ich die Berge besser als dort. Und dafür haben meine Grosseltern gesorgt, bei denen ich in meiner Kind­heit oft die Ferien verbracht habe und im Innerrhodischen wandern ging.

Es gab aber auch Zeiten, da war mein Verhältnis zu den «Appenzeller-Manne» ziemlich getrübt, haben sie doch den Frauen das kantonale Stimm- und Wahlrecht auch fast 20 Jahre nach Einführung des Frauenstimm­rechts auf Bundesebene an der Landsgemeinde 1990 mit einem Stimmenverhältnis von 2 : 3 abgelehnt! Im gleichen Jahr wurde das Frauenstimmrecht auf kantonaler Ebene dann aber doch noch durch einen Bundesge­richtsent­scheid auf dem Rechtsweg eingeführt. Heute habe ich mich mit den «Innerrhödler-Männern» wieder versöhnt. Denn das, was uns als Besucherinnen und Besucher auf diesem kleinen Flecken Erde alles geboten wird, ist einfach einmalig.

Wo führen in der Schweiz heute noch Wanderwege mit einer Selbstverständlichkeit quer über grüne, weiche Wiesen wie in einem Park? Und immer wieder gehen die malerischen Wege mit grosser Selbstverständlich­keit mitten durch einen Bauernhof. Den Appenzellern ist bewusst, dass Touristen wichtig für den Wohlstand der Bevölkerung sind. Die schmucken Hofanlagen mit den Wiesen direkt bis zu den oft farbigen Häusern ge­ben ein gepflegtes Bild ab. Ja manchmal wirkt es fast schon etwas kitschig. Besonders erfreut war ich, dass mir auf keiner Wanderung ein giftiger «Appenzellerbläss» den Puls in die Höhe getrieben hat. Entweder hatte es keine Hunde oder sie waren schon an die fremden «Eindringlinge» gewohnt.

Als Höhepunkt im Appenzellerland gilt sicher der Besuch einer Gastwirtschaft. Diese gibt es immer noch in grosser Dichte, und man kann sich auf fast jedem Hügel mit Sicherheit aufs Feinste bewirten lassen. Ich je­den­falls trage bei meinen Wanderungen nie Verpflegung mit mir. Appenzell verfügt über eine Kulinarik, die sich sehen lassen kann. Es gibt viele Appenzeller-Spezialitäten in wunderbarer Qualität. Die Betriebe unterstützen sich gegenseitig, wo sie können. So bekommt man in den Wirtschaften zum Beispiel fast nirgends «Coca Cola», sondern es wird das einheimische «Gobacola» aus der Mineralquelle Gontenbad ausgeschenkt. Von dort kommt auch das weitherum bekannte «Flauder», das übrigens von einer sehr initiativen Frau und der heu­ti­gen Managerin der Goba AG entwickelt wurde. Auch beim Bier ist die ortsansässige Locher Brauerei (keine Verwandtschaft mit mir) bestens bekannt durch das Vollmondbier. Den Appenzellerkäse oder das Mostbröckli findet man in jeder Form auf den Speisekarten. Im Innerrhodischen ist die Partnerschaft zwischen den Produ­zenten und der Gastronomie zu spüren. Man sieht sich nicht als Konkurrenten, sondern pflegt erfolgreich die Zusammenarbeit und die Gemeinsamkeiten.

Wenn man durch die Gassen von Appenzell schlendert, spürt man: Der Erfolg hat sich eingestellt. Jedes Ge­schäft entwickelt sich und ist ein kleines Highlight. Im grossen Gewölbekeller der Bäckerei Krone kann ein aus­gezeichnetes Schokoladen-Angebot bestaunt werden, da läuft mir nur schon beim Gedanken das Wasser im Munde zusammen. Und natürlich verlasse ich den Laden nicht, ohne einige Kalorien in Form von Biber, Leckerli oder Schokolade mitzutragen.

In Appenzell–Innerrhoden wird das Miteinander und Füreinander gelebt. Da fühlt man sich willkommen und wohl. Ich jedenfalls habe mein verlängertes Wochenende im Innerrhodischen sehr genossen und freue mich jetzt schon auf weitere schöne Ausflüge – schon bald mit den Schneeschuhen.

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