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Entgegen aller Gepflogenheiten

18. Oktober 2023
Efeu hält sich an keine Regeln. Es blüht und fruchtet scheinbar zu Unzeiten und behält seine grünen Blätter den ganzen Winter. Trotzdem ist die Kletterpflanze wertvoll.

Langsam verfärben sich Bäume und Sträucher; einige Pflanzen haben ihre Blätter bereits fallen gelassen. Nur das Efeu scheint keine Vorbereitungen für den Winter zu treffen. Ganz im Gegenteil: Wer sich in diesen Tagen einem Efeu nähert, wird ein lautes Summen vernehmen.
 

BLÜTENPRACHT IM HERBST

Die Kletterpflanzen werden umschwärmt von Insekten, weil sie in voller Blüte stehen. Die einzelnen Blüten sind grünlich und klein. Sie sind jeweils in halbkugeligen Blütenständen angeordnet und verströmen einen intensiven, süsslichen Duft. Auf uns Menschen mag dieser Duft nicht besonders betörend wirken. Für Insekten hingegen muss er unwiderstehlich sein. Von kleinsten Käfern über Fliegen und Schwebfliegen bis zu Bienen: die ganze Insektenwelt der Umgebung scheint sich an den Efeublüten zu versammeln. Unter der munteren Insektenschar findet sich oft eine relativ grosse Wildbiene mit auffallenden, hellgelben Querstreifen am Hinterleib, die sogenannte Efeu-Seidenbiene. Diese Wildbienenart hat sich, wie ihr Name vermuten lässt, auf Efeu spezialisiert. Sie besucht fast ausschliesslich die Blüten des Efeus. Und weil ihre Lieblingspflanze so spät im Jahr blüht, fliegt auch die Efeu-Seidenbiene erst spät im Jahr, manchmal bis in den November.
 

GRÜN IM WINTER, REIF IM FRÜHLING

Wir unternehmen einen Zeitsprung von drei Monaten und schauen uns das Efeu mitten im Winter an. Seine Blätter sind so grün und stehen so dicht wie eh und je. Das Gesummse ist verstummt. Aber dieselbe Pflanze, die so üppig geblüht hat im Oktober, trägt nun viele Beeren. Diese sind allerdings erst im Frühling reif, wenn alle anderen Beeren längst weg sind. So finden Vögel, die gerne Beeren fressen, während kargen Zeiten im Efeu Nahrung. Wir Menschen gönnen den Vögeln die Beeren, denn für uns sind sie giftig.


ANDERS ALS ALLE ANDEREN

Immergrüne Blätter, Blüten im Herbst und reife Beeren im Frühling – das Efeu verhält sich völlig anders als fast alle anderen einheimischen Pflanzen. Es steht auch ziemlich allein da, wenn man nach verwandten Pflanzen sucht. Botaniker reihen es in einer eigenen Pflanzenfamilie ein; nahe verwandte Arten besitzt es keine. Das Efeu ist eben etwas ganz Spezielles.


WAS KANN ICH TUN?

  • Pflanzen Sie Efeu zum Begrünen von Mauern, Sichtschutzwänden und Ähnlichem anstelle immergrüner Exoten oder invasiver Neophyten (Kirschlorbeer, Henrys Geissblatt u. a.). Sie fördern damit die einheimischen Insekten und Vögel.
  • Als Fassadenbegrünung trägt das Efeu zu einem ausgeglicheneren Lokalklima bei und dient sowohl als zusätzliche Dämmung als auch als Nistplatz für Vögel. Allerdings muss die Fassade das Gewicht des Efeus tragen können und darf keine Risse aufweisen, weil die Pflanze dort mit ihren Haftwurzeln eindringen und die Risse aufsprengen kann.
  • Lassen Sie Efeu, das an Bäumen hochklettert, gewähren. Denn Efeu benutzt den Baum nur als Kletterhilfe. Seine Haftwurzeln dringen nicht in den Stamm ein. Hohe, gesunde Bäume werden durch Efeu nicht geschädigt. Grosse Efeu auf Büschen oder kleinen Bäumen (z. B. kleinere Obstbäume) können ihren Kletterbaum allerdings gefährden, wenn sie ihn überwachsen und ihm damit das Licht wegnehmen.
     
Umschwärmtes blühendes Efeu im Oktober.
Umschwärmtes blühendes Efeu im Oktober
Efeu-Seidenbiene und asiatischer Marienkäfer auf blühendem Efeu.
Efeu-Seidenbiene und asiatischer Marienkäfer auf blühendem Efeu
Efeublüten im Grossformat mit zwei Schwebefliegen als Besucher.
Efeublüten im Grossformat mit zwei Schwebefliegen als Besucher

ZUR AUTORIN

Barbara Leuthold Hasler arbeitet als selbstständige Biologin und Bergführerin. Mit der Natur vor ihrer Haustür befasst sie sich seit Jahren – nicht nur beruflich, sondern auch als Hobby: zum Beispiel im eigenen Garten und in ehrenamtlichen Arbeitseinsätzen in Naturschutzgebieten.

 

Die Stadt Illnau-Effretikon publiziert monatlich über ihre Kommunikationskanäle und im «Regio» einen Artikel zum Thema Biodiversität. Dieser Artikel ist am 19. Oktober 2023 erschienen.

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